Rechne aus, wird nichts draus – KFW-FÖRDERUNG

Die Entscheidung hat es in sich. Die KfW-Gebäudeförderung ist gekappt. Was bedeutet das jetzt für Hausbauer?

Der Anruf vom Bankberater am Dienstagmorgen fiel reichlich verdruckst aus. Ob die schlechte Nachricht vom Vortage denn schon durchgedrungen sei, fragte er die ahnungslose Kundin. Die Bundesregierung habe die staatliche Förderung zur energetischen Gebäudesanierung völlig unerwartet am Montagmorgen gestoppt. Zu dem Zeitpunkt hatte der Bankmitarbeiter schon mehrfach versucht, den Antrag bei der staatlichen Förderbank KfW einzureichen und war aus unerfindlichen Gründen gescheitert. Erst eine Stunde später bekam er die Nachricht, dass nicht etwa wie vermutet eine technische Störung vorliegt, sondern dass die KfW die Schotten ganz grundsätzlich dicht gemacht habe. Man könne sich das gar nicht erklären, sagte er entschuldigend, so etwas habe er noch nie erlebt. Mit dem vollständigen Stopp, quasi über Nacht, habe niemand gerechnet, alle Betroffenen seien völlig ratlos.

Für Tausende Kunden bedeutet das: Die wochenlange Mühsal der Antragsstellung, das endlose Zusammenkratzen unzähliger Dokumente, das stundenlange Durcharbeiten komplizierter Antragsvoraussetzung – völlig umsonst. Kein Förderdarlehen zu günstigen Zinsen, keine staatliche Förderung – und das für ein Vorhaben, das dem Staat unter der Führung der neuen Ampel-Regierung eigentlich besonders am Herzen liegt: die Dämmung alter Gebäude.

Der Fall der erst ahnungslosen und inzwischen sehr ratlosen Kundin ist wahrlich kein Einzelfall: Knapp 24.000 Antragssteller hängen aktuell in der Luft, davon 22.000 Privathaushalte. Sie konnten zwar noch Anträge stellen, für die aber jetzt erstmal kein Geld mehr da ist. In 20.200 Anträgen geht es um Neubauten nach dem KfW-Effizienzhausstandard 55, in 3000 Fällen um Neubauten nach dem noch sparsameren Standard 40. Rund 700 Anträge betreffen umfassende Sanierungen älterer Gebäude. Hinzu kommt die nicht bekannte Zahl derer, die noch keinen Antrag für das eigene Bauvorhaben gestellt haben, die Kredite und Zuschüsse der KfW aber schon in ihre Finanzierung eingeplant hatten. Vor allem für Sanierungen, aber auch für das Effizienzhaus 40 soll es „so schnell wie möglich“ neue Programme geben, betonte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch im Bundestag.

Folgen sind noch unklar

Wer ein Effizienzhaus 55 baut, wird dagegen wohl leer ausgehen – nach Meinung der Bundesregierung ist dieser Gebäudetyp inzwischen Standard und bedarf keiner Förderung mehr. Die Betroffenen sollen nun Kredite der KfW angeboten bekommen. Um welche Beträge es geht, rechnete Habeck auch vor: Für 2022 standen im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung 5 Milliarden Euro für die KfW-Gebäudeprogramme bereit. 3,2 Milliarden Euro waren bis zum Antragsstopp schon bewilligt. Blieben noch 1,8 Milliarden Euro. Die noch offenen 24.000 Anträge summierten sich aber schon auf 7,2 Milliarden. Gestoppt hat die KfW gleich drei beliebte Programme zur Förderung von energieeffizienten Häusern: „Effizienzhaus 55“, „Effizienzhaus 40“, dazu „Energetische Sanierung“ – ein Programm, das nicht den Neubau, wohl aber die Sanierung unterstützte. Die Zahlen bedeuten, dass das neu gebaute Haus im Vergleich zu einem herkömmlichen Referenzgebäude nur 55 oder 40 Prozent Primärenergie verbraucht. Seit 24. Januar nimmt die staatseigene Bank keine Anträge für Fördermittel mehr an.

Was das jetzt alles für Bauwillige heute bedeutet, ist nicht klar. Auch nicht, was mit bereits beantragten aber noch nicht bewilligten Förderungen geschieht. Nach Angaben der KfW reichen auch für diese Anträge die bereitgestellten Mittel nicht aus. Gegebenenfalls könne stattdessen ein zinsverbilligter Kredit zur Verfügung gestellt werden. „Das wird jetzt geprüft.“

Das Geld ist futsch

Je nachdem in welchem Standard die Häuser geplant waren, verlieren Bauherren eine Menge Geld. Neben den zinsgünstigen und zudem nur nachrangig zu besichernden Krediten – Laufzeit zehn Jahre, Effektivzins zwischen 0,64 und 0,81 Prozent – fehlen auch direkt Zuschüsse: Geld vom Staat, das nicht mehr zurückgezahlt werden muss. Für ein „Effizienzhaus 55“ waren das bis zu 18.000 Euro je Wohneinheit. Ein „Effizienzhaus 40 Plus“ mit Photovoltaik-Anlage, stationärem Batteriespeicher und Lüftung mit Wärmerückgewinnung schießt der Bund bislang bis zu 37.500 Euro je Wohneinheit zu. Zudem beteiligt sich der Staat an den Kosten für einen „baubegleitenden Energieberater“. Nicht gestoppt sind nach Angaben der KfW die sogenannten BAFA-Förderprogramme. Über das dem Wirtschaftsministerium angegliederte „Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle“ können Interessenten demnach weiter einzelne Maßnahmen fördern lassen – eine Solarthermieanlage etwa mit bis zu 30 Prozent. Oder bis zu 20 Prozent für die energetischen Sanierung der Gebäudehülle, also für das Dämmen oder den Austausch von Fenstern.

Kosten gehen hoch

Für die „Standard“-Bauwilligen, die ein neues Haus nach Effizienzklasse 55 planten, werden nach dem Rückzug des Staates die Kosten in jedem Fall steigen. Dabei treibt der Mangel an Fachkräften und Material auf den Baustellen schon seit Monaten die Preise. Die Zahlen des Bauverbands ZDB sprechen eine klare Sprache: Binnen eines Jahres, bis November 2021, haben sich Holz und Stahl um grob zwei Drittel verteuert. Dämmstoffe kosten demnach 45 Prozent mehr, die Preise für Kunststoffrohre und Folien sind um je etwa 30 Prozent nach oben geschnellt. Der Preisanstieg dürfte sich allerdings nicht mehr in diesem Maße fortsetzen. Nach Darstellung des ZDB zeichnet sich eine Beruhigung des Marktes ab, eine „Stabilisierung der Preise auf hohem Niveau.“

Die wegfallende Förderung der KfW und die stetig steigenden Preise der Baumaterialien sind für Hauseigentümer schon Sorgen genug. Flankiert wird das alles aber auch noch mit den Sorgen der steigenden Zinsen. Denn auch die Baufinanzierungen sind längst nicht mehr so billig wie noch vor einem Jahr – und sie dürften sich aller Voraussicht nach in nächster Zeit weiter verteuern. Im Januar erreichten die Bauzinsen den höchsten Stand seit Beginn der Corona-Krise. Für ein Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung zahlt man jetzt nach Erhebungen des Verbraucherportals Biallo wieder im Schnitt 1,03 Prozent Zinsen im Jahr. Zwischenzeitlich waren es in der Krise mal nur 0,65 Prozent gewesen.

Und mit weiter steigenden Zinsen dürfte zu rechnen sein. Zwar will die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen nach derzeitigem Stand in diesem Jahr noch nicht anheben. Ob das so bleibt, ist unklar. Aber die Bauzinsen orientieren sich ohnehin vor allem an der Rendite der Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit. Und die ist bereits gestiegen und wurde kürzlich zum ersten Mal seit längerer Zeit mal wieder positiv. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung, der die Verbraucherzinsen fortlaufend beobachtet, rechnet damit, dass die Zinsen für ein Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung im Laufe des Jahres immerhin bis auf 1,5 bis 1,75 Prozent steigen werden. Unter anderem auch die steigenden Zinsen in Amerika könnten auf die Bundesanleihe „ausstrahlen“, sagen die Zinsfachleute. Auch Mirjam Mohr, Vorstandsmitglied des Kreditvermittlers Interhyp, meint: „Wenn jetzt die amerikanische Notenbank Fed weitere Signale in Richtung Zinserhöhungen sendet, wird das zwar nicht unmittelbar, aber mittelfristig weiter steigende Bauzinsen in Deutschland unterstützen.“ Mit Blick auf Zinspolitik, Inflation und Konjunkturentwicklung sei eine Fortsetzung des jetzt begonnenen Anstiegs beim Bauzins um mehrere Zehntelprozentpunkte zu erwarten: „Zinsen von 1,5 Prozent für zehnjährige Darlehen halten wir im Jahresverlauf durchaus für möglich.“

Ein zweites Argument sei die Entscheidung der Aufsichtsbehörden in Deutschland über höhere Kapitalpuffer der Banken für Immobilienkredite, mit denen eine Überhitzung des Immobilienmarktes vermieden werden solle, sagt Herbst. Von Februar des Jahres 2023 an müssten viele Institute ihr Eigenkapital erhöhen. Das ziehe erfahrungsgemäß – leichte – Zinssteigerungen für Kreditnehmer nach sich. „Zwar treffen die Bafin-Vorgaben nicht alle Banken gleichermaßen stark“, sagt Herbst: „Dennoch ist es denkbar, dass auch Geldhäuser mit einem ausreichenden Kapitalpuffer die Gunst der Stunde nutzen, und auch ihre Zinsen und damit ihre Margen anheben.“ Max Herbst vor der FMH-Finanzberatung hat eine Faustformel aufgestellt, wie stark anstehende Zinserhöhungen die Baufinanzierung verteuern: „Man könnte pauschal etwa sagen, dass 0,1 Prozent Zinserhöhung rund 1725 bis 1950 Euro Mehrkosten bei einem Darlehensbetrag von 100.000 Euro bedeuten.“

Entscheidung überrascht

Der Bundesverband deutscher Banken erwartet dann auch eine spürbare Verteuerung der Immobilienkredite für Privatkunden. Auf einer Videokonferenz verwies Hauptgeschäftsführer Christian Ossig am Mittwoch gegenüber Journalisten zum einen auf die vom Bundesfinanzministerium, der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin getroffene Entscheidung, aus Sorge vor einer spekulativen Überhitzung am Immobilienmarkt die Eigenkapitalanforderungen für Wohnimmobilienkredite zu verschärfen. Zum anderen nannte Ossig die vom Bundeswirtschaftsministerium nun angekündigte Einstellung der KfW-Gebäudeförderung.

„Die Entscheidung des Bundes hat uns überrascht“, sagte er. Der Verband der privaten Banken, dessen wichtigste Mitglieder Deutsche Bank und Commerzbank sind, fordert nun von der Bundesregierung, schnellstmöglich Klarheit zu schaffen, wie es in Zukunft um die Förderung bestellt ist. „Das Vertrauen der Kunden und der Banken in die Förderprogramme muss höchste Priorität haben“, fügte Ossig hinzu. Um wie viel sich die Immobilienfinanzierung für Privatkunden verteuern könne, wollte er nicht schätzen.

Und jetzt? Einige Banken haben sich schon zu dem Thema geäußert und haben Lösungen erarbeitet, sagt Henning Ludwig, Spezialist für Baufinanzierung bei dem Immobilienfinanzierer Dr. Klein. Das seien Banken, bei denen sowohl die Hauptfinanzierung als auch das KfW-Darlehen liege. Die ING oder die Commerzbank seien etwa bereit, das Hauptdarlehen um den KFW-Anteil aufzustocken, also um maximal 120.000 Euro. „Damit für die Kunden das Wichtigste erstmal geklärt ist und keine Finanzierungslücke entsteht. Da sind wir auch ein Stück weit beruhigt, wenn der Kunde erstmal hört, dass 120.000 Euro nicht einfach wegfallen. Der Hauptbauchschmerz ist damit zunächst gelöst, da das Geld zur Verfügung steht.“

Was Kunden jetzt erwartet

Alles also gar nicht so schlimm? Der Teufel steckt offenbar wie immer im Detail. „Die Banken stocken das Darlehen zu den gleichen Konditionen wie das Hauptdarlehen auf“, sagt der Finanzierungsfachmann. Weil die KfW-Darlehen zinssubventioniert seien, entstehe dadurch oft ein Zinsnachteil für die Kunden. Der Kunde müsse dann in der Regel den höheren Zins bei der zusätzlichen Darlehenssumme, die die KfW nun nicht mehr finanziert, schlucken, damit seine Finanzierung komplett dargestellt wird. Und ob alle Banken bei der Aufstockung mitmachen? „Ich glaube auch, dass die Lösung der schneller agierenden großen Banken die Tendenz für andere vorgibt. Den Banken ist ja auch daran gelegen, bei der Finanzierung, die dort schon zur Prüfung liegt, mit den Kunden abzuschließen. Das Ziel ist ja nicht, dass der Kunde zu einer anderen Bank wechselt.“.

Wie in so vielen Fällen ist für Kunden jetzt Transparenz und Kommunikation angesagt. Und zwar von Banken- wie von Bankseite. „Es ist wichtig, zu wissen: Gibt es ein Übereinkommen, sagt Ludwig. Schlimmstenfalls könne die Bank die 120.000 Euro nicht darstellen, wie der Kunde sich das vorstelle. Wenn man sich noch in Antragsphase befinde, müsse man dann nach einer entsprechenden Alternative schauen. In der Phase, in der der Antrag erst eingereicht wurde, haben Kunden noch die Möglichkeit, vom Vorhaben zurückzutreten. „Wenn ich schon den Darlehensvertrag unterschrieben habe, gibt es auch noch das Widerrufsrecht. Aber zunächst heißt es, schnellstmöglich auf den entsprechenden Bankberater oder Vermittler zugehen.“

Und vielleicht noch diese eine Idee, die zumindest für eine Gruppe der Betroffenen helfen könnte, hat der Finanzierungsexperte auch noch parat: „Gerade in Schleswig-Holstein, aber auch in anderen Bundesländern, gibt es Förderinstitute, wo es gängige Praxis war, KfW-Darlehen über diese Förderinstitute zu beantragen. Die Lücke, die das eingestellte KfW-Programm aufreißt, könnte man dann versuchen über die eigenen Programme der Förderinstitute zu schließen.“

Quelle: Frankfurter Allgemeine, Autoren: Corinna Budras, Bernd Freytag, Markus Frühauf, Antonia Mannweiler, Julia Löhr und Christian Siedenbiedel, 27.01.2022 (www.faz.net)