Der teure Wärmepumpen-Hype – QUASI-PFLICHT

Frankfurter Allgemeine – Wirtschaft: Pflicht zur Wärmepumpe: So teuer wird das grüne Heizen

Mit den neuen Heizungen soll alles besser werden – effizienter und grüner in jedem Fall. Doch viele Gebäude sind dafür überhaupt nicht geeignet. Was die Kosten des Heizens betrifft, warnen Fachleute vor einer bösen Überraschung.

Es ist nur ein einziger Satz auf 178 Seiten Koalitionsvertrag, aber er hat enorme Folgen für Immobilieneigentümer und Mieter: Jede neue Heizung, die vom 1. Januar 2025 an in Deutschland eingebaut wird, soll zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Öl- und Gasheizungen scheiden damit aus. Selbst in Kombination mit einer Solaranlage auf dem Dach lässt sich der vorgeschriebene Anteil der Erneuerbaren in den meisten Fällen nicht erreichen. Die Heizung der Zukunft ist nach den Plänen der Ampelkoalition eine Wärmepumpe, die mit Ökostrom laufen soll.

Damit erlebt eine Art des Heizens eine Renaissance, die politisch eigentlich schon einmal abgeschrieben war. Auch die sogenannten Nachtspeicherheizungen, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg vielerorts eingebaut wurden, liefen mit Strom. Sie waren einfach zu installieren, aber wenig effizient und seit Einführung der Stromsteuer auch ziemlich teuer. Zwischenzeitlich brachte die Bundesregierung sogar ein Verbot dieser Stromheizungen auf den Weg, das aber später wieder gestrichen wurde. Mit den Wärmepumpen soll jetzt alles besser werden – effizienter und grüner in jedem Fall. Was die Kosten des Heizens betrifft, warnen Fachleute allerdings vor einer bösen Überraschung.

Experten reagierten erstaunt auf den Koalitionsvertrag

Rund eine Million Wärmepumpen gibt es hierzulande bislang. Bis 2030 sollen es bis zu sechsmal so viele sein, so hat es Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich skizziert. Vereinfacht erklärt, entziehen Wärmepumpen der Luft oder dem Erdreich Wärme und verdichten diese unter dem Einsatz von Strom so, dass Gebäude beheizt und mit Warmwasser versorgt werden können. Das funktioniert grundsätzlich auch bei niedrigen Außentemperaturen. Wie gut, hängt aber vom Zustand des Gebäudes ab. Für Neubauten – gedämmt, mit modernen Fenstern und Fußbodenheizungen – gelten Wärmepumpen als gut geeignet. Ältere Gebäude mit klassischen Heizkörpern auf diese Weise zu erwärmen bedarf dagegen großer Mengen an Strom, wenn es überhaupt gelingt. Zu dieser Gruppe gehören allerdings die meisten Wohngebäude in Deutschland. Knapp zwei Drittel des Bestands wurden vor 1979 gebaut.

Baufachleute reagierten deshalb einigermaßen erstaunt, als sie im Koalitionsvertrag von der Quasi-Pflicht zur Wärmepumpe lasen. „Das Gros des Gebäudebestands ist für Wärmepumpen schlicht nicht geeignet“, sagt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der sowohl in der Baubranche als auch der Politik anerkannten Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge). „Die Heizungsflächen sind zu klein, die Vorlauftemperaturen zu hoch. Das wird für die Bewohner extrem teuer.“ Zwar setzt ein Land wie Schweden schon seit vielen Jahren auf Wärmepumpen. Dort ist allerdings Strom deutlich günstiger als in Deutschland, das in der EU diesbezüglich den Spitzenplatz belegt. Walbergs Fazit zu den Heizplänen der Ampel: „Dieses Thema ist noch nicht zu Ende gedacht.“

Altbau-Renovierung als „Königsdisziplin“

Die Grünen, die in der Ampelkoalition am stärksten auf den Klimaschutz dringen, sind sich des Problems bewusst. „Den Altbaubestand klimagerecht zu sanieren ist die Königsdisziplin“, sagt Kassem Taher Saleh, der für die Partei Obmann im Bauausschuss des Bundestags ist. „Wenn man eine Wärmepumpe in Altbauten integriert, sollte das immer in Kombination mit einer umfassenden Sanierung geschehen“, rät er. Dazu müsse auch über Lockerungen im Denkmalschutz gesprochen werden. Allerdings sind energetische Sanierungen mit hohen Kosten verbunden. Auf 1000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche schätzt Arge-Geschäftsführer Walberg sie im Geschosswohnungsbau, auf 1500 Euro bei Einfamilienhäusern. „Und da ist noch nichts tapeziert oder das Bad neu gemacht“, betont er. Allein die Wärmepumpe kostet je nach Modell zwischen 15.000 und 30.000 Euro.

Dass solche Investitionen dem Klima nutzen, ist unstrittig. Ob sie sich auch finanziell lohnen, darüber gibt es geteilte Ansichten. Im Herbst kamen Sanierungsspezialisten in einem Gutachten für die Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass sich trotz der staatlichen Zuschüsse – im Fall der Wärmepumpen zahlt die KfW bis zu 45 Prozent der Kosten – die Sanierung eines Ein- oder Zweifamilienhauses nur in zwei von drei Fällen wirtschaftlich auszahle. Oft sind die Investitionskosten, gerechnet auf einen Zeitraum von 25 Jahren, höher als die eingesparten Energiekosten. Grünen-Politiker Taher Saleh hält dagegen, dass mit der Sanierung auch der Wert der Immobilie steige. Er ist überzeugt: „Auf lange Sicht lohnt sich eine Modernisierung immer.“

Politik nimmt Wohnungseigentümer in die Verantwortung

Eigentümer älterer Immobilien stehen jetzt vor einer kniffligen Frage: Sollen sie schnell noch die alte Gasheizung durch eine moderne ersetzen, bevor dies verboten wird? Mit Blick auf den Wohnkomfort spräche vieles dafür. Das Surren der Wärmepumpen, leise zwar, aber schwer zu überhören, hat schon so manchen Nachbarschaftsstreit ausgelöst. Allzu lange heiß duschen wollen sollte man mit den Anlagen besser auch nicht. Zugleich ist klar, dass Heizen mit Gas allein schon wegen des steigenden CO2-Preises teurer wird. Während Klimaminister Habeck verspricht, mit dem Ausbau der Erneuerbaren – sofern dieser denn wie geplant vorankommt – werde der Strom günstiger. Was die bessere Wahl ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Viel hängt von den Gegebenheiten vor Ort und den persönlichen Präferenzen ab.

In dichter besiedelten Regionen gibt es noch eine andere Option: Fernwärme. Wenn die Quelle der Heizenergie kein Kohlekraftwerk ist, sondern etwa die Abwärme aus einer Müllverbrennungsanlage genutzt wird, gilt auch diese Heizungsart als „grün“. In vielen Städten ist ein Teil der Haushalte schon an Fernwärme-Leitungen angeschlossen. Von einem Ausbau dieses Netzes ist bislang aber nur selten die Rede. Arge-Geschäftsführer Dietmar Walberg hält das für einen Fehler. „Wir müssen mehr in Quartieren denken“, sagt er. Auch das Umrüsten der Gasleitungen für den Einsatz von synthetischem Gas hält er für denkbar. Im Moment nehme die Politik beim Klimaschutz vor allem die Wohnungseigentümer in die Verantwortung. „Das betrifft aber genauso die Kommunen und Energieversorger.“

Wie gewaltig die Aufgabe ist, auch den Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral zu machen, zeigt ein Blick auf die Heizstatistik des Energieverbands BDEW. Knapp die Hälfte der rund 43 Millionen Wohnungen hierzulande wurde im Jahr 2020 mit Gas beheizt, ein Viertel mit Öl. Der Anteil der Wärmepumpen betrug noch nicht einmal 3 Prozent.

Quelle: Frankfurter Allgemeine, VON  JULIA LÖHR, BERLIN, 25.01.2022